Stasi 2.0


„Die Ära von Privatsphäre ist vorbei!“ Halt! Stop! Hr. Zuckerberg, ich bin dagegen! Und dass die NSA möglicherweise meine E-Mails liest finde ich auch nicht gut! Aber mal von vorne: Was ist überhaupt Privatsphäre? Privatheit bedeutet für mich nicht, dass ich eine meterhohe Schutzmauer um mich herum aufbaue und keinen dahinter lasse. Vielmehr ist es die Freiheit zu entscheiden, wer wie weit in diesen Schutzraum eindringen darf.
Wenn ich bei facebook poste „Ich füttere meinen Hamster“ und keinerlei Gebrauch von den Privatsphäreeinstellungen mache, dann ist das alles andere als privat. Ich kann nicht mehr darüber entscheiden, wer diese Information liest und wer nicht. Schuld daran scheine nur ich selbst zu sein.

Aber bei einer E-Mail sollte doch noch das gute alte Briefgeheimnis gelten! Ich schreibe und entscheide wer die Mail bekommt und liest. Allmählich beschleicht mich jedoch das Gefühl, dass diese Vorstellung sehr naiv ist.

Mainz – Frankfurt. Das sind etwa 30 km Luftlinie. Was passiert mit einer E-Mail auf dieser Strecke? Landet sie zwischenzeitlich auf einem amerikanischen Server? Ich habe einer Freundin vom Terror der Nachbarskinder berichtet. Gerate ich jetzt in das Visier der NSA oder hätte ich dazu noch mindestens die Wörter „Bomben“ und „Islamismus“ verwenden müssen?

Als mehr oder weniger naiver Mensch habe ich auch ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Und genau dafür sorgt die NSA mithilfe von Prism doch. Oder? Nein, mit Sicherheit hat das für mich reichlich wenig zu tun. Das grenzt schon an Freiheitsentzug.
Wenn ich in die USA einreise und dafür Fragen wie „Planen sie einen Anschlag?“ oder „Engagierten sich Ihre Großeltern in der Nazi-Diktaur?“ beantworten muss, dann weiß ich, dass jetzt Daten von mir erhoben werden und mein terroristisches Potenzial überprüft wird. Im Gegensatz zu dem meiner Nachbarskinder dürfte das relativ gering sein. Hier habe ich eine Wahlmöglichkeit: Entweder die Fragen beantworten und in die USA einreisen dürfen oder die Antwort schuldig bleiben und nicht einreisen.
Apropos Wahlmöglichkeit: In Sachen Datenklau fragt mich keiner. Gerade habe ich ein Artikel von Steffan Heuer, Autor des Buches „Mich kriegt ihr nicht“, gelesen. Er gibt Tipps zur digitalen Selbstverteidigung. Beim Lesen ist mir kurz schwindelig geworden und ich habe mit dem Gedanken, mein Smartphone in den Rhein zu werfen und zum Nokia 3210 zurückzukehren, gespielt. Wollte man alle Tipps verfolgen, so ist man wahrscheinlich mehr damit beschäftigt, sich abzuschirmen als das Internet zu seinen Zwecken zu nutzen. Mein Smartphone habe ich dann aber doch nicht in den Rhein geworfen. Es ist ja auch extrem praktisch. Missen möchte ich es nicht. Das ist gar keine Frage. Besonders der DB-Navigator erweist sich bei der derzeitigen Lage am Mainzer Hauptbahnhof als äußerst hilfreich. Und auch dass ich mit Freunden, die gerade im Ausland studieren, so unkompliziert Kontakt halten kann, ist schön. Aber meine Privatsphäre unfreiwillig aufgeben möchte ich auch nicht.

Und was mache ich jetzt? Ich versuche den gläsernen Anteil von mir weiterhin so übersichtlich wie möglich zu halten. Ich überlege genau welche Daten ich von mir Preis gebe, lösche regelmäßig meine Cookies, nutze nicht immer die gleiche Suchmaschine und poste nicht jeden Atemzug. Den ein oder anderen Tipp von Steffan Heuer werde ich demnächst auch beherzigen. Ich werde z.B. „HTTPS-Everywhere“ installieren um Websites zu verschlüsseln, die es bisher noch nicht sind. Die Unsicherheit darüber, was Dritte mit meinem digitalen Fußabdruck anstellen können, bleibt aber.


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